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Keramik aus der Werkstatt

Sie wünsche sich vom Betrachter Freude an der Überraschung, bemerkte Regina Junge ‘mal in einem Ausstellungsgespräch. Betritt man ihr Haus, kommt man aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Überall Formen und Farben, Gefäße und Plastiken aus Keramik und Porzellan. Und erst in der Werkstatt! Regale bis unter die Decke gefüllt mit Vasen, Schalen, Figurinen und Objekten. In einer Schachtel mit Fotos findet sich auch noch ein Stück Karton, auf dem mit Papier eine geometrische Figurenkombination in verschiedenen Grüntönen aufgeklebt ist. „Das ist einer der Entwürfe für die Schmuckwand an der Schillingstraße 1“, sagt sie und betrachtet nachdenklich das Blatt. „Das ist das erste Mal, dass ich das wieder sehe, das hatte ich schon fast vergessen.“ Nun ja, es ist ja auch schon 57 Jahre her. 

Gefertigt bei Hedwig Bollhagen 

„Das war 1965 meine Diplomarbeit an der Kunsthochschule Weißensee“, erinnert sich Regina Junge. „Die Wohnungsbaukombinate vergaben oft Aufträge für Kunst am Bau an Kunsthochschulen. Die Schmuckwand sollte ein dekorativer Sichtschutz für das Restaurant ‚Pünktchen‘ sein, farbig und freundlich. Ich habe alles maßstabgerecht erst auf Papier, dann als Modell entworfen und danach die Gipsrohlinge geformt. Die Keramikabgüsse wurden in den Werkstätten von Hedwig Bollhagen gefertigt.“ Später entwarf sie noch weitere Keramikarbeiten für die ehemaligen Rathauspassagen und die Markthalle, doch die existieren alle nicht mehr. Wirklich schade, findet sie, denn Keramik eigne sich sehr gut für Kunst am Bau.

Schon als Kind malte und zeichnete sie gerne. Sie machte eine Ausbildung als Keramikmalerin in Colditz, studierte danach vier Jahre an der Fachschule für angewandte Kunst und Formgestaltung in Sonneberg und fünf Jahre in Weißensee. Seit 1967 ist sie freischaffende Künstlerin. 

Arbeit für die blauen Schwerter

Früher sei das kein Problem gewesen, von ihrer Kunst zu leben, das begann erst nach der Wende. Wegen hoher Mieten verlor sie Wohnung und Atelier und zog nach Oranienburg. Mit ABM und Kursen an Jugendkunstschulen kam sie durch Nachwendezeit. Ihre Sachen auf Märkten anbieten zwischen Kartoffeln und Hausschuhen konnte und wollte sie nicht. Später bekam sie Aufträge von der Porzellanmanufaktur Meißen, da arbeitete sie vorwiegend mit dem „weißen Gold“. Heute kann man sie auf dem Rheinsberger Töpfermarkt finden. „Da kann ich immer gut verkaufen“, meint sie lächelnd, „das Publikum ist interessiert und begeistert und sagt es mir auch.“ Im Juni und Dezember lädt sie zum Tag der offenen Tür in ihre Werkstatt ein. Aber nur mit Anmeldung unter 03301-704839.
Regina Friedrich

Retten, was zu retten ist

Der Künstler Achim Valbracht stieß 2012 zufällig auf die Schmuckwand in der Schillingstraße. Damals war sie noch fast in ganzer Länge zugänglich, nur einige Teile fehlten. Er fotografierte sie und stellte die Bilder 2015 und 2021 aus.
„Durch das Projekt ‚Kunst im Stadtraum‘ 2021 bin ich wieder auf die Schmuckwand aufmerksam geworden und bekam Kontakt zu Regina Junge, zum Nachbarschaftsrat und zum Koordinationsbüro KoSP.

Der schlechte Zustand der Keramiken hat weniger mit Vandalismus zu tun als mit  einem Konstruktionsfehler: Die einzelnen Keramikteile stecken auf Eisenstangen, die korrodieren und dadurch den damit verbundenen Volumenzuwachs die Keramiken von innen heraus sprengen. Feuchtigkeit und Frost erledigen den Rest.“ Deshalb regte Valbracht an, so schnell wie möglich die noch vorhandenen Keramikteile zu sichern. In Absprache mit dem Bezirksamt und der Eigentümergemeinschaft des Grundstücks barg er beschädigte Keramikteile und lagerte sie vorerst privat ein.
In diesem Jahr sollen alle noch vorhandenen Teile gesichert werden. Für nächstes Jahr sind Sanierungsmaßnahmen geplant.